Cesare Battisti
Las leyes son para que las cumplan
los pobres.
Las leyes son hechas por los ricos
para poner un poco de orden a la explotación.
Los pobres son los únicos cumplidores de leyes de la historia.
Cuando los pobres hagan las leyes
ya no habrá ricos.
Die Gesetze sind dazu da, dass sie
die Armen befolgen.
Die Gesetze werden von den Reichen gemacht,
um ein wenig Ordnung in die Ausbeutung zu bringen.
Die Armen sind die einzigen Gesetzestreuen in der Geschichte.
Wenn die Armen die Gesetze machen,
wird es keine Reichen mehr geben.
Roque Dalton
Eine weitere (sinngemäße) Übersetzung eines Textes von Cesare Battisti, ein kleiner Auszug aus einer Biografie, an der er gerade arbeitet, so gut es eben geht hinter diesen Mauern, in die sie ihn gezwängt haben für das Rest seines Lebens. Etliche weitere Übersetzungen von Texten von Cesare finden sich auf Bonustracks und im Archiv der Sunzi Bingfa. Hoffen wir, dass ihn ein Zufall, eine Laune der Geschichte oder was auch immer rettet, ihm noch ein paar Jahre in Freiheit mit seinen geliebten Menschen schenkt. Es ist überall die gleiche Frage an uns alle, die gleiche Frage, die sich schon seit Jahrzehnten an uns stellt – wer wir sind, was uns als Menschen und Rebellen ausmacht – manifestiert sich unweigerlich in unserem Verhältnis zu den Menschen, die aus den verschiedenen Epochen der Revolten und revolutionären Aufbrüche in die Hände unserer Gegner gefallen sind. Dieser Text wurde am 5. August 2025 auf Carmilla Online veröffentlicht.
Bonustracks
An die Mutter meiner Töchter, ein Auszug aus einer Biografie
Auch heute Morgen regnet es auf das Gefängnis von Massa. Ein kalter, klebriger Nieselregen, der seit zwei Monaten darauf aus ist, das ohnehin schon eintönige Leben eines Gefangenen noch grauer zu machen, wenn das überhaupt möglich ist. Ich suche jenseits der Gitterstäbe nach einem Lichtblick, einem Hauch von grauer Hoffnung, der mir hilft, wieder Gefühl zu finden, die richtigen Worte, um den hartnäckig weißen Bildschirm meines PCs mit Erinnerungen zu füllen. Nachdem ich bis hierher die turbulentesten Jahreszeiten meines Lebens Revue passieren lassen und auf jeder Seite um Rat und ein wenig Verständnis gebeten hatte, hatte ich mir vorgemacht, dass es einfacher sein würde, den Teil über die lange Zeit des Exils als Flüchtling anzugehen, in der ich mir eine menschliche Dimension, eine Nische als erwachsener und verantwortungsbewusster Mensch geschaffen hatte.
Ich hatte geglaubt, dass diese gestohlene Freiheit, die für mich einem normalen Leben am nächsten kam, der fließende und selbstverständliche Abschluss einer eher bewegten Biografie sein würde. Aber vielleicht liegt es am schweren Atem dieser Mauern, die von Regen und Klagen durchtränkt sind, oder an etwas, das ich nicht ganz verstanden habe, wie eine Note, die aus der Partitur ausbricht und eine Melodie in einen Kontrapunkt verwandelt. So glaubte ich, die Musik zu kennen, um sie schließlich wie eine italienische Romanze zu spielen. Stattdessen sitze ich hier und beobachte die Zeit, weil ich nicht in mich hineinsehen kann, bis die Sonne am Horizont wieder rot wird. Um diese Reise nach Westen fortzusetzen, zu einem Sonnenuntergang, der niemals endete, und der Hoffnung auf ein neues Leben voller gemeinsamer Überzeugungen nachzufliegen.
Vielleicht war es die ganze Zeit, die ich in meiner Zelle verbracht habe, verbunden mit einer Haftstrafe, die den Verstand zerstört, die mich glauben ließ, dass ich nicht mehr das Recht habe, neben den Schmerzen, die ich verursacht und erlitten habe, auch von den Freuden zu erzählen. Der Welt und denen, die mich verurteilt haben, zu sagen, dass ein Mensch nicht für die Zeitspanne eines Verbrechens geboren wird und stirbt. Oder dass mir die Zeit gegeben wurde, zu leben und teilzunehmen, eine Familie zu gründen, mich zu bessern und Wiedergutmachung zu leisten, auf den Trümmern eines schändlichen Krieges einen Mann großzuziehen, der endlich gelernt hat zu lieben. All das scheint mir nicht gesagt werden zu dürfen. Es wäre, als würde ein Bild, das im Schrecken festgehalten wurde, um allen zu sagen, dass dies das Böse ist, unter den Menschen leben, sich inmitten von ihnen vermischen und im Normalen verschwinden.
Und während sich der Tag müde aus der Zelle zurückzieht und der Flur die üblichen Versprechen murmelt, fliege ich zurück nach Mexiko. Als Gepäck habe ich den strahlenden Blick von Laurence, der mir auf der Fluggastbrücke am Flughafen Orly folgt. Ich reise allein, sie wird mir in vier Monaten folgen, wenn sie es noch will, nachdem sie ihr Leben in Frankreich geregelt hat. Das war der Kompromiss, den ich ihr abringen konnte, eine halbe Lüge, deren Schmerz die Angst vor meinem ersten Flug milderte.
Ich flog hoch, ich ging für immer weg, vorbei an den Pfaden in den Alpen, hinter denen sich mein Italien erstreckte, wo meine Familie vor Sehnsucht starb. Ich ging nach Mexiko, und es kam mir nicht real vor, den Staub der Westernfilme eingeatmet zu haben, die ich mir im Pfarrhaus angesehen hatte. Das Land von Pancho Villa und Zapata sagte Laurence nichts, es war nur das Amerika darunter. Sie mochte New York, die Musik der Wolkenkratzer, sie war mit Kollegen aus der Bank dorthin gereist. Aber sie wäre trotzdem zu den Tortilla-Essern gekommen, sie wäre überall hingekommen. Sogar nach Madagaskar, wenn dies der sichere Ort gewesen wäre, der mir zunächst genannt worden war. Sie hatte es satt, Millionen anderer Leute von einer Bank zur anderen zu transferieren, sie wollte das Leben so leben, wie es war, und sie wollte es mit mir tun.
Eines Abends, als ich mir bereits sicher war, dass mir das Einsteigen in Orly leichter fallen würde, kam sie mit einem großen Hochglanzatlas nach Hause. Wir maßen die Entfernungen: Paris-New York-Mexiko-Stadt, Tausende von Kilometern, fast so viel wie von einem Ufer des Atlantiks zum anderen. Man könnte noch weiter nach Süden fahren, sagte sie, als wären wir bergab unterwegs, wir fahren bis nach Feuerland und dann wieder zurück nach Alaska, von einem Pol zum anderen auf dem Rücken eines Esels. Sie lachte und fragte mich, warum ich so ein Gesicht machte.
Wenn sie sich so für etwas begeisterte, konnte ich ihr nicht mehr folgen, nicht einmal zum Spaß: Es wäre schwieriger gewesen, den richtigen Moment zu finden, um ihr zu sagen, dass sie nicht mitkommen konnte. Nicht sofort, ich wollte ihr Zeit geben, sich zu beruhigen, darüber nachzudenken, bevor sie alle Brücken hinter sich abbrach. Die Angst, es selbst nicht zu schaffen, mich anders zu entdecken, als ich ihr vorgab zu sein, war so groß, dass ich lieber mein Herz amputiert hätte, als auch noch ihr mögliches persönliches Scheitern auf mich zu nehmen.