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Die Telekonferenz am Dienstag (2.6.2025) begann mit einem Überblick über die weltweite Wirtschaftslage, die verschiedenen Kriegskontexte und ganz allgemein über den Zustand des Kapitalismus.
Der Krieg als Politik oder „endloser Krieg” ist mittlerweile die einzige Möglichkeit, die dem Kapitalismus noch bleibt, um sich als solcher zu reproduzieren. Die Zeitschrift Limes bezeichnet diesen Zustand als „Großen Krieg” und führt in ihren Analysen das Geschehen auf den Willen der Großen Männer zurück, seien es Trump, Putin, Netanjahu oder andere Personen, denen die Fähigkeit zugeschrieben wird, den Lauf der Dinge zu verändern.
Wie mehrere Beobachter festgestellt haben („Brüssel unterzeichnet das Todesurteil für Europa”, A. Volpi), benachteiligt das Ende Juli zwischen den USA und der Europäischen Union geschlossene politische Abkommen zur Neuverhandlung der Zölle eindeutig die europäischen Interessen, da es die EU verpflichtet, bis 2028 Energiegüter im Wert von 750 Milliarden Euro aus den USA zu kaufen. Der bilaterale Gipfel zwischen den USA und Russland in Anchorage, Alaska, brachte zwar keine konkreten Vereinbarungen hervor, machte jedoch das neue globale Gleichgewicht zwischen den Großmächten deutlich und zeigte die Bedeutungslosigkeit Europas als politische Einheit. Dies bestätigt, was wir seit langem sagen, und gibt diejenigen der Lächerlichkeit preis, die die Existenz eines europäischen Imperialismus behaupteten.
Auch Mario Draghi räumt ein, dass Europa gegenüber den Giganten USA und China keinerlei Autonomie besitzt und sich zwangsläufig den Vereinigten Staaten anschließen muss, wobei es die Konsequenzen zu tragen hat. Der Kapitalabfluss in die USA im Austausch für eine nicht näher bezeichnete Senkung der Zölle wird Auswirkungen auf die italienische, französische, deutsche usw. Wirtschaft haben, und die verschiedenen Bourgeoisien werden nichts anderes tun können, als die Ausbeutung der Arbeitskräfte zu intensivieren, um ihre Gewinnmargen nicht zu sehr schrumpfen zu sehen. Dies wird weniger durch eine Verlängerung des Arbeitstages (absoluter Mehrwert) als vielmehr durch eine Intensivierung der Ausbeutung (relativer Mehrwert) geschehen; aber wenn der Arbeitstag im Durchschnitt acht Stunden dauert und die benötigte Arbeit nur wenige Minuten in Anspruch nimmt, werden sie am Ende nichts mehr herausholen können
Laut dem Artikel „Circonda e influenza” (Umzingeln und beeinflussen), veröffentlicht auf Limes, (der Autor schrieb „Wie China davon träumt, wieder ein Imperium zu werden”) lässt sich Xi vom Weiqi inspirieren, der ursprünglichen Version des Go: Es handelt sich um ein altes „Umzingelungsspiel”, bei dem es eher um die schrittweise Kontrolle von Räumen und den Erwerb von Einfluss als um den absoluten Sieg geht. Das Ziel des Spiels ist nicht, den Gegner zu vernichten, sondern durch die Besetzung von Räumen, Einkreisung und Flexibilität zwischen Verteidigung und Außenwirkung eine Position relativer Überlegenheit zu erlangen. Für den brasilianischen Präsidenten Lula sollten die BRICS-Staaten den Zöllen von Trump (50 % gegenüber Brasilien) entgegenwirken und eine einheitliche Alternative zur amerikanischen Vorherrschaft bilden. Indien, das historisch gesehen ein Verbündeter der USA gegen China ist (Mitglied des „Quadrilateral Security Dialogue” [QUAD], einer informellen strategischen Zusammenarbeit zwischen Australien, Japan, Indien und den Vereinigten Staaten), nähert sich aufgrund der hohen Zölle wieder China an.
Der Krieg in der Ukraine ist das Ergebnis veränderter globaler Machtverhältnisse, die es Moskau ermöglicht haben, eine meisterhaft durchgeführte Militäraktion zu starten, und gleichzeitig ein Faktor für weitere Veränderungen. Die USA haben angekündigt, dass die europäischen Länder, wenn sie die Ukraine weiterhin unterstützen wollen, amerikanische Waffen kaufen und ihre Soldaten vor Ort entsenden sollen. Der Taktikwechsel der Vereinigten Staaten ist durch die enorme Krise bedingt, in der sie sich befinden und die mit der Tragfähigkeit ihrer Schulden und damit der Stabilität des Dollars zusammenhängt. Im Jahr 2025 hat das Defizit 36 Billionen Dollar überschritten: Die USA geben mehr aus, als sie einnehmen, und haben Mühe, die Zinsen für ihre Schulden zu bedienen, die in diesem Jahr eine Billion Dollar erreichen könnten.
Die Bourgeoisie versucht vergeblich, den allgemeinen Trend der Akkumulationskurve umzukehren („Die historische Krise des senilen Kapitalismus“, 1984). Die Formel der Profitrate rächt sich: Selbst wenn die Masse des insgesamt produzierten Mehrwerts zunimmt, steht ihr die gigantische Menge an toter Arbeit (Produktionsmittel, Halbfertigprodukte, Energie) gegenüber. Trumps Zölle zielen darauf ab, der Krise zu begegnen, die seit mindestens 2008 die beeinträchtigte globale Mehrwertproduktion betrifft. Jetzt, da die Welt extrem verschuldet ist, wird nach Wertsteigerung auf den Finanzmärkten gesucht, die die Mehrgewinne einsammeln, sie in Renditen umwandeln und sie an das mächtigste Kapital, die Vereinigten Staaten, weiterleiten. Diese sorgen für großes Chaos, um zu zeigen, dass sie immer noch das Sagen haben (Limes: „Der Dollar bleibt König“). Der Dollar ist eine Absicherung der internationalen Märkte, so wie es Gold im 18. Jahrhundert war.
Die USA versuchen, den Staat noch mehr aufzupumpen und die Exekutive hochzurüsten, um mit China und Russland Schritt zu halten. Wie in „Imprese economiche di Pantalone” (1950) geschrieben, ist der letzte Kolonialismus der, in dem Weiße Weiße kolonisieren. Die Trump-Regierung hat die Nationalgarde zur Kontrolle der Großstädte eingesetzt: zuerst in Kalifornien zur Bekämpfung von Einwanderern, dann in Washington und bald auch in Chicago. Die innenpolitische Lage ist instabil, und das nicht nur in Amerika. In Israel finden Massenkundgebungen gegen den Krieg und für die Befreiung der Geiseln statt, mit Blockaden des Straßenverkehrs und der Flughäfen. Parallel dazu steigt die Zahl der Reservisten, die sich weigern, ihren Dienst zu leisten.
Das Dollarsystem zwingt alle Mächte dazu, diese gigantische Blase aufrechtzuerhalten, da sonst eine Krise ausbrechen würde, die noch schlimmer wäre als die von 2008. Ohne diese derzeit von den USA geführte internationale Struktur würde das gesamte weltweite Gefüge (internationaler Waren- und Kapitalfluss) mit unüberwindbaren Schwierigkeiten konfrontiert sein. Die USA kämpfen also um ihr eigenes Überleben, genau wie Israel, das mit einer Reihe von Konflikten zu kämpfen hat. Vor kurzem hat die israelische Armee eine umstrittene Operation gestartet, die die vollständige Zerstörung des Gazastreifens und die Vertreibung von fast einer Million Palästinensern vorsieht. Parallel dazu wurde das Projekt zum Bau einer Reihe von Siedlungen genehmigt, die das Westjordanland in zwei Teile teilen und die Möglichkeit eines palästinensischen Staates für immer zunichte machen würden. Israel projiziert seine internen Widersprüche nach außen, aber das Risiko für seine eigene Existenz ist sehr hoch. In dem Artikel „Krieg und Frieden” weist Limes darauf hin, dass in der heutigen Kriegsführung 90 % der Bevölkerung betroffen sind, gegenüber 50 % im Ersten Weltkrieg.
Die Welt wird (immer) kleiner, und jeder Wirtschaftsakteur versucht, die Decke auf seine Seite zu ziehen. Die US-Halbleiterriesen Nvidia und Advanced Micro Devices müssen 15 % ihrer Einnahmen aus dem Verkauf von Chips an China an die US-Regierung abführen. Jeder versucht, sich Anteile am Wert anderer anzueignen, aber wir wissen, dass der gesamte Reichtum von einer bestimmten Klasse, nämlich den Lohnempfängern, erzeugt wird und dass man von wenigen, maximal ausgebeuteten Arbeitern (mithilfe von Robotern, Algorithmen usw.) nicht denselben Mehrwert erzielen kann wie von vielen weniger ausgebeuteten Arbeitern.
Große Investmentfonds werden im Wesentlichen von Software wie Aladdin von BlackRock verwaltet, die in der Lage ist, Informationen aus einem riesigen Netzwerk von Sensoren auf der ganzen Welt zu erfassen, zu verarbeiten und mittel- und kurzfristige Finanzstrategien festzulegen. Es gibt zwar noch Administratoren, die diese algorithmischen Prozesse überwachen, aber ihre Rolle wird immer unbedeutender. Die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung betrifft die Märkte, die Börsen, die Finanzwelt, aber auch den Krieg. Regierungen und große Unternehmen rüsten sich; Maschinen gewinnen zunehmend die Oberhand, weil sie die Vielzahl der produzierten Daten effizienter sortieren können. Große Finanzunternehmen gewinnen gegenüber Banken an Bedeutung und spielen eine entscheidende Rolle beim Abfluss von Kapital in die USA.
Der Phasenübergang ist im Gange und darf nicht mit der Übergangsphase verwechselt werden, die langsam und schrittweise verläuft. Der Abschluss des Degenerationsprozesses der gegenwärtigen Produktionsweise kann mit einem Höhepunkt, einer Singularität, einer Katastrophe oder einer Verzweigung gleichgesetzt werden. Die Menschen haben Raketen intelligent und hypersonisch gemacht und verwenden künstliche Intelligenzprogramme, um ausgeklügelte Kriegsspiele zu entwickeln. Sogar Videospiele werden eingesetzt, um Kriegsszenarien zu simulieren. Die Grenze zwischen zivilem und militärischem Bereich verschwindet zunehmend. Ob zur Unterhaltung, für geschäftliche Zwecke oder im Kriegseinsatz – wargames nehmen eine zentrale Rolle ein.
Übersetzt aus dem Italienischen von Bonustracks.